Appalachian Trail
26.6. – 3.7. Pine Grove Park bis Hamburg
Alles wird anders!
Die Mädels haben uns verlassen, nun haben wir keine Ausrede mehr, nur 14 Meilentage zu machen, die allabendlichen Kissenschlachten im Hotel gibt es nicht mehr und auch die Abende am Shelter sind ruhig – endlich schlafen!
Zudem wird der Weg immer felsiger. Leider bisher nur an wenigen Stellen und nicht von der angenehm großen Sorte, über die man so schön hüpfen kann. Sondern 99% von den fiesen, spitzen, in unmöglichen Winkeln aus dem Boden ragenden, Fußsohlen ruinierenden, winzigen bis faustgroßen Steinen, die dafür sorgen, dass man manchmal über Meilen den Fuß nicht einmal gerade aufsetzen kann. Dem nicht genug, sind die Biester auch an schönen Tagen rutschig.
Zudem zeigt sich das Wetter derzeit von seiner schlechteren Seite. Einmal schaffen wir vier Meilen in einer Stunde, nur um in der nächsten Stunde in einen Regenschauer zu geraten, bei dem wir schon nach Sekunden nass bis auf die Knochen sind und kaum noch vorwärtskommen. Mit Müh und Not können wir die Schuhe über Nacht in einen erträglich, trocknen Zustand bringen.
Und dann kommt er… ein Ort, in dem man normalerweise nicht mal mit dem Auto anhalten würde, weil man genau weiß, dass einem kurz darauf die Felgen fehlen. Ein Ort, an dem man jederzeit mit einem Drivebyshooting rechnet, an dem – gefühlt – auf der einen Straßenseite Crack und auf der anderen Gras verkauft wird, an dem man mit den Damen der Nacht im einzigen Diner der Stadt frühstückt. Schlicht – ein Ort auf der anderen Seite der Gleise, wo man immer das Gefühl hat, falsch abgebogen zu sein – Duncannon PA! Und genau durch diesen Ort muss der Hiker mitten durch. Er ist sogar mehr oder weniger gezwungen, im einzigen „Hotel“ der Stadt zu übernachten. Hier hat man bei jedem Schritt, im über 100 Jahre alten Haus, das dumme Gefühl, der alte Holzboden bricht ein, oder die Decke kommt gleich runter, was jemandem im Stockwerk über uns wirklich mal passiert ist! Da wundert einen auch nicht mehr der Zettel im „Bad“, auf dem man gebeten wird, den Duschvorhang gut zu schließen, da sonst das Wasser in die darunter liegende Bar fließen würde!
Mit all diesen Eindrücken im Kopf, führte uns der Trail am nächsten Tag über eine Parallelstraße durch den gesamten Ort und wir fragten uns: Warum nicht auf der Hauptstraße?! Stören die dreckigen Hiker das Stadtbild, oder andersrum!?
Am Tag danach zeigte sich der Wettergott wieder unerbittlich. Die Schuhe waren endlich trocken, da nahte schon eine dunkle Wolkenwand. Nach 20 Minuten vergeblicher Anhalterversuche (es waren nur zwei Meilen zur nächsten Stadt und alle Autos müssen da durch) war sie auch schon bei uns angekommen. Wieder waren wir in Sekunden komplett durch und da einen nassen Hiker sowieso keiner mitnimmt, machten wir uns zu Fuß auf ins Hotel. Zum Glück war es nicht kalt und so gingen wir uns, 40 Minuten später – triefend nass, aber bestens gelaunt – erst mal was zum Essen kaufen, bevor wir in einem Hotel eincheckten!
Wir machten einen Zero, da es einem aus unserer derzeitigen Gruppe (wir sind noch zu fünft) nicht gut ging. Doch die Schuhe wollten diesmal auch nach zwei Tagen nicht trocknen.
Und so kam es, nachdem wir gestern noch durch einen, fast zwei Meilen langen, überfluteten Abschnitt waten mussten, dass wir uns heute hier in Hamburg neue Schuhe in einem riesigen Outfitter kauften (Paar Nummer drei).
Dieser Laden ist crazy! In verschiedenen XXL-Dioramen sind Horden von ausgestopften Tieren, in diversen – ihrer Umgebung und Lebensart entsprechenden – Szenarien dargestellt. Es gibt, unter anderem, eine ganze Gebirgslandschaft mit Bergziegenherden, eine Savannenlandschaft mit Löwinnen, die Gazellen jagen, die auf der Flucht über einen Baumstamm springen…. Alles mit ausgestopften Tieren! Was gleichzeitig widerlich, als auch – durch die krasse Realitätsnähe – faszinierend ist. Außerdem gibt es natürlich einen Schießstand mitten im Laden. Eben alles zum Thema campen, fischen und jagen!
Wir haben das Gebiet des Patomac Appalachian Trail Club verlassen. Das heißt: keine Blümchen Gärten, keine fast neuen, mausfreien Shelter, keine frei geschnittenen, gut gepflegten Wege mehr. Große Teile des Weges sind nun mit Dornengestrüpp überwuchert und zerkratzen uns Arme und Beine. Die Fliegen werden immer mehr und ohne Kopfnetz kann man tagsüber kaum noch anständig gehen.