Appalachian Trail
6.8. – 16.8. Hanover bis Gorham
New Hampshire!
Uff… New Hampshire hat ein Motto, welches auch auf jedem Nummernschild zu finden ist: „live free or die“. Wir haben uns für erstens entschieden, auch wenn wir uns des Öfteren wie zweitens fühlten! Unser erster White Mountain begrüßte uns auch gleich knallhart. Okay, wir wurden vor dem Abstieg gewarnt: „überlegts euch gut – über 80% aller Hiker gehen den nach Süden!“, „vom Hostel bieten die nen guten Slackpackingservice an!“, „der Abstieg ist schwer – mit Leitern!“ …blablabla, 20% schaffen es doch nordwärts! Slackpacken!? Leitern sind cool!!…. mhmm.
Mt Moosilauke wie der Gute heißt, war knallhart. Der Aufstieg als NOBO noch „easy“ (4,6 Meilen mit 3747 Fuß), war der Abstieg (3,4 Meilen mit 3000 Fuß) ein einziger Balanceakt. An einem Wasserfall, von dem man kaum etwas mitbekam, weil man sich aufs Nichtausrutschen konzentrieren musste, ging es teils fast senkrecht hinunter. Nasser Fels wechselte sich mit nassen Wurzeln und Holztritten ab, welche auch noch in einem, eher für den Aufstieg geeignetem Winkel angebracht sind. Als SOBO hingegen klettert man einfach, mit toller Sicht auf den Wasserfall, vor sich hin, den Hang hoch und hat dann einen flacheren, gut zu gehenden Abstieg… Was solls, wir gehören zu den 20% NoBos, bleiben unserer Linie treu, immer North und hatten Glück das nichts passierte. Aber sollten wir jemals wieder hierherkommen, dann machen wir diesen Abschnitt vermutlich doch eher nach Süden. Denn der Wasserfall ist traumhaft und die Mühe wert, noch einmal andersherum erklommen zu werden. Und wer weiß, vielleicht haben wir das nächste Mal sogar Sicht vom Gipfel!?
Im Anschluss an diesen Tag gab es, auf Grund einer Schlechtwetterfront, erstmal einen Zwangs-Zero. Am nächsten Tag traf es uns dann richtig: wir schaffen nur noch eine Meile pro Stunde bergab! Dass wir mal, trotz vollem Gepäck, bergauf viel schneller sein könnten als bergab, hätten wir nie gedacht. Aber bergauf klettern macht in diesem Gelände Spaß und ist einfacher, bergab erfordert viel mehr Konzentration und die, manchmal gewagten Sprünge, gehen ganz schön auf die Knie. Und so wateten wir erst mal wieder durch den Schlamm, den der Dauerregen vom Vortag hinterlassen hatte, stiegen diesmal einen Wasserfall nach oben und erkletterten, im wahrsten Sinn des Wortes, den Gipfel. Der anschließende Abstieg zog sich dann auch noch ein wenig. Und so kamen wir an der Hut erst nach dem Abendessen der Gäste an.
Huts sind Hütten des AMC (Appalachian Mountain Club) in den Whites. Ähnlich den Alpenvereinshütten bei uns, nur nicht beheizt. Holzstockbetten ohne Matratzen, kaltes Wasser, kein Strom für Gäste und Plumpsklos runden das Konzept ab. Da die Helikopter hier nur am Anfang der Saison fliegen dürfen, muss der Nachschub an Lebensmittel und allem, was noch gebraucht wird heraufgetragen werden. Eine Übernachtung kostet 125 Dollar + und beinhaltet Abendessen, Lager und Frühstück. Als Thruhiker hat man meistens die Möglichkeit, work for stay (wfs) zu bekommen. Das heißt: Warten, bis alle zahlenden Gäste gegessen haben, Reste futtern, eine kleine Aufgabe erledigen und auf dem Boden des Gastraums pennen, wenn alle anderen im Bett sind. Um 5 Uhr am nächsten Morgen kommt dann der Koch fürs Frühstück und man muss aufstehen und gehen. Die „Belegschaft“ besteht immer aus 4-6 College-Kids. Ihre Arbeit besteht aus Frühstück servieren 7-8 Uhr und Abendessen 6-7 Uhr. Zudem müssen sie abwechselnd mittwochs und samstags Lebensmittel zur und Müll von der Hut schleppen. Kochen muss immer nur einer, der dann auch mittags eine Suppe für Hiker serviert. Sonst haben sie so gut wie nix zu tun. Es ist also sehr wechselhaft, wie sie gelaunt sind und zu welcher Zeit man eintrifft, ob man gerade Willkommen ist oder stört. Wir kamen am ersten Abend günstig und wurden gleich zum Resteessen eingeladen, dafür mussten wir den Herd putzen.










Der nächste Tag brachte Traumwetter und einen der schönsten Tage auf dem Trail. Nach einem langen, aber gut zu gehenden Aufstieg folgte ein zwei Meilen langer Kamm mit toller Sicht. Es war Sonntag und es ging ungefähr so zu, wie auf dem „Heilbronner Weg“ an einem Feiertag. So hatten wir unseren Spaß beim „schnaufende Tagestouristen überholen“. Nach dem letzten Gipfel waren wir dann endlich wieder allein und kletterten hinab zu einem Shelter. Diese werden in den Whites von jungen Männern während der ganzen Saison betreut. Gezeltet wird auf Plattformen, auf denen wir sogar unser „nicht freistehendes Zelt“ locker aufbauen konnten. Mit einem traumhaft klaren Sternenhimmel über uns, gingen wir zu Bett.





Der folgende Tag war unspektakulär aber toll zu gehen und so schafften wir locker die 17 Meilen. Schade, denn die Zealandfalls Hut ist superschön. Leider waren wir zu früh dort, um zu bleiben. So gab es zur Mittagszeit für uns Thruhiker kostenlose Kartoffel-Dill-Suppe so viel wir essen konnten, bevor wir weiter mussten. Die Nacht verbrachten wir an einem Bach vor dem Aufstieg zum Mt. Washington.
Der Plan für den nächsten Tag war bis zu einer Hut vor dem Gipfel aufzusteigen. Das Wetter machte uns aber einen Strich durch die Rechnung. Mitten im Aufstieg fing es an zu regnen. Der Trail war in Minuten mal wieder unter Wasser und es gab richtig viel zu klettern. So beschlossen wir, um 12 Uhr für heute Schluss zu machen und einen ganzen Nachmittag in einer Hut weiter unten, rumzuhängen. Trocknen, Tomatensuppe für drei Dollar bis zum Umfallen essen und das Plumpsklo im Haus – was braucht man mehr!? Wir bekamen dann auch noch wfs, mussten Keller und Bücher-/ Spieleregal aufräumen und zum Abendessen gab es Lasagne und frisches superleckeres Brot, soviel wir wollten! Guuuter Deal!




Am nächsten Morgen zogen wir gut gelaunt, bei 8 Grad, Wind und unter 10 Meter Sicht los, um die Hut die wir am Vortag eigentlich erreichen wollten aufzuholen. SOBOs erzählten uns, sie hätten zwei Stunden für den Abstieg gebraucht, also rechneten wir mit vier Stunden Aufstieg, man kennt ja das Gelände nicht. Nach 2,5 Stunden liefen wir im dichten Nebel fast gegen die Wand der Lakes of the clouds hut! 10 Minuten fegen und wir bekamen die „Reste“ vom Frühstück – Prima Deal. Frisches Rührei von mindesten zehn Eiern mit Käse, ein halbes Blech Kuchen und Oatmeal mit Früchten …. wir schafften nur den 15l Topf Oatmeal nicht ganz leer zu kratzen!
Dünnen Pulli gegen dicke Jacke getauscht, Regenkleidung gegen den durchdringenden Nebel an und bestens gelaunt mit dem 2. Frühstück im Bauch ging es wieder raus. 50 Minuten später fanden wir, nur auf Grund einer Traube Menschen, das Gipfelschild am Mt Washington. Die vielen Touristen, für die wir wieder mal die Attraktion waren, nervten und so verzogen wir uns mit Pizza und Suppe aus dem Restaurant in den Hikerraum im Keller. Trocken, warm, Tische, Stühle, Strom, Essen und ein eigenes Klo…. ! Wir blieben ein paar Stunden. Dann drängte die Zeit und wir mussten doch wieder raus.
Der Wind hatte noch ein wenig zugenommen und wir fühlten uns an Roan Mountain erinnert, nur ohne Regen, dafür mit schwererem Gelände. Mit uns machte sich noch ein älterer Herr auf den Weg, der erste NOBO seit sehr vielen Tagen, den wir trafen und zusammen suchten wir den Weg, der zwischenzeitlich plötzlich gelb markiert war, was uns etwas verwirrte. Im Abstieg zur nächsten Hut holten wir eine ältere Frau ein. Sie hatte Probleme mit dem Knie und kam bei dem Wind und der Sicht nur langsam voran. Wir gingen mit ihr den Rest gemeinsam und versorgten sie anschließend mit Bandagen. Trotzdem es gerade Abendessenszeit war, wurden wir freundlich begrüßt und verbrachten einen lustigen Abend mit der Crew. Nach dem Essen und Schrank putzen natürlich!




Es stürmte immer noch, als wir am nächsten Morgen aufbrachen. Dies war unser langsamster Aufstieg aller Zeiten: 0,7 Meilen/ h! Wie wir mittlerweile wissen, hatten wir 80mph Wind bei 5 Grad. Der Wind vom Vortag und in Roan war nichts dagegen. Trotzdem hatten wir gerade hier oben einen der schönsten Momente auf dem Trail. Eine knappe Stunde nach Start, direkt am Gipfel, klarte plötzlich alles auf und als wir zum Mittag in einem Restaurant Halt machten, hielt man es in der Sonne kaum noch aus. Zwei Burger, Chips, Salat und Kuchen später ging es ans Klettern. In der vollen Sonne hinauf in die Wildcats. An einem Skilift erwartete uns Trailmagic und die übrig gebliebene Tüte Chips brachten wir der Crew unserer letzten Hut mit. Wir brauchten nicht zu arbeiten und bekamen trotzdem alle Essensreste. Die Jungs hauten sich kiloweise Steaks mit Beilagen rein, während Tina Tofu bekam, nice! Ein Blech Kuchen später hatten wir ein schlechtes Gewissen und spülten ab, während die Crew die Gäste ins Bett schickte. Es wurde ein lustiger Abend mit der Crew beim Siedler von Catan spielen.



Der Abstieg am nächsten Tag verlief zügig mit toller Sicht auf Mt Washington und Mt Madison, die an diesem Tag ganz ohne Nebel da lagen. Was ein Tag doch für unterschiedlich Eindrücke und Erlebnisse ausmachen kann! Im Tal erwartete uns dann Trailmagic von einer Familie, die uns wohl mag und schon ein paar Mal überrascht hat.
FAZIT:
- Die Whites sind unberechenbar!
- Wir hatten keine Nacht in einer Hut beabsichtigt und doch hatten wir, auch wenn sich die Erfahrungen mit den Crews von Hiker zu Hiker wohl stark unterscheiden, unglaublich viel Spaß mit ihnen! (Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus?!.. vielleicht. Vielleicht hatten wir aber auch einfach nur Glück mit unseren Ankunftszeiten.)
- Das Wetter macht, was es will!
- Tagestouristen denken nicht!
- Es war nicht halb so schlimm, wie befürchtet – im Gegenteil, es war besser, als erwartet.
- …. Wir lieben die Whites!
Das späte Erscheinen dieses Berichtes hängt mit unserem Netzbetreiber zusammen, der leider den Norden der USA nicht mehr unterstützt!
